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Kick it like Google

Dass die Büroumgebung einem Abenteuerspielplatz gleicht, hat sich nicht flächendeckend durchsetzen können. Allerdings haben Unternehmen erkannt, dass sie ihren Mitarbeitern mehr bieten müssen als nur einen ergonomischen Schreibtisch und vernünftigen Kaffee.

Pro Sichtachse ein Kicker

Ob Start-up oder Werbeagentur – in Büros, wo vermeintlich viel Kreativität vorhanden ist, kommen Mitarbeiter nicht ums Spielen herum. In jeder Sichtachse muss sich ein Tischkicker befinden, damit sich der Digital Native im Notfall sofort in einen anderen Bewusstseinszustand kegeln kann. Andere Firmen bieten als Spiel-Alternative die gute alte Tischtennisplatte an, die entweder mit den Originalmaßen aufgestellt wird, oder auch als Miniaturmodell.

Spielen im Büro stand lange Zeit für die moderne Arbeitsumgebung schlechthin. Ausgerechnet Internet-Giganten wie Google preschten mit diesen Analog-Freizeitangeboten aus dem vorletzten Jahrhundert voran. Ganze „Spielzonen“ finden sich in Google-Büros von Hamburg bis ins Silicon Valley.

Billard spielen bei Google Dublin (Design: evolutiondesign, Foto: Peter Würmli)


Dispruptives Geschäftsmodell

Irgendwer hat dann Tischticker mit disruptiven Geschäftsmodellen in Verbindung gebracht und sich gedacht, dass so ein schwerfälliger Bonsai-Rasen auf Stelzen die Kreativität fördern müsste. Übrigens hat sich im „Valley“, wie der eingeweihte „Digitalisto“ verkürzt sagt, der deutsche Begriff „Fußball“ (oder auch „Football“) als Fachbegriff für Tischkicker eingebürgert. Jedenfalls haben Firmenchefs in Old Europe lange nicht verstanden, dass ein antiquiertes Spielgerät noch lange nicht die Firmenkultur ändert oder Mitarbeiter zu kleinen Mark Zuckerbergs werden lässt.

Selbst Google weiß das und hat versucht, deswegen nicht nur die Mitarbeiter mit Spielen länger im Büro festzuhalten, sondern auch mit firmeneigenen Sternerestaurants, erstklassigen Konzerten für Mitarbeiter und einem eigenen Shuttle-Service enger an sich zu binden. Google betreibt in San Francisco tatsächlich eine eigene Buslinie, die autolose Programmierer von Daheim abholt und – vermutlich erst spätnachts – wieder zu Hause abliefert.


Zockerräume mit PlayStations

Diese Goodies für Mitarbeiter – in den USA „Perks“ („Vorteile“ oder „Vergünstigungen“) genannt – haben nun auch Vertreter außerhalb der Kreativwirtschaft eingeführt. Erstmals gibt es dazu sogar eine Studie, die deutsche Arbeitgeber auflistet, die sich möglichst googlish geben wollen. Auf Platz 1 im Ranking „Beste Benefits der deutschen Wirtschaft“ landete der Ökostromanbieter Lichtblick, der zum Chillen sogar in Unternehmensfarben gebrandete Tischkicker aufstellen ließ, aber auch Unterhaltungsliteratur für Arbeitspausen anbietet. Den Vogel schoss die Digitalberatung Arithnea ab. An allen sieben Standorten existieren inzwischen Zockerräume mit PlayStations und Nintendo-Konsolen, angeschlossen an wandgroßen Flatscreens. Wer sich hier zum virtuellen Ballern zurückziehen möchte, kann sich in die Sofas lümmeln, wie die eigenen Teenagerkinder das daheim wohl auch tun würden.

Spieleraum bei Google Dublin (Design: evolutiondesign, Foto: Peter Würmli)


Spielen als Wettbewerbsvorteil

Büroplaner müssen ab jetzt jedenfalls reichlich Platz einkalkulieren für diverse Vergnügungsviertel im mitarbeiterorientierten Office. Ob es die Produktivität am Ende des Tages steigert, sei dahingestellt, denn längst geht es hierzulande darum, überhaupt qualifizierte Mitarbeiter ins Unternehmen zu holen und die fragen schon im Bewerbungsgespräch gezielt nach diesen Zusatzleistungen am Arbeitsplatz. Das Spielen und Relaxen im Büro ist also zu einer Art Wettbewerbsvorteil aufgestiegen. Etwas spielerisch abzuschalten, dürfte bei manchem zumindest die Kreativität verbessern. Wer es interaktiv mag, sollte seine Kollegen zu einer Runde Boule über den glatten Office-Teppich überreden.


Günstiges Teambuilding

Oft hat das gemeinsame Spielen mit Kollegen einen angenehmen gruppendynamischen Effekt, bei dem sich mancher Team-Konflikt „auf dem Platz“ austragen lässt.

Der vergleichsweise kostengünstige Teambuilding-Effekt durch betriebliches Zocken ist nicht von der Hand zu weisen. Um jenes Wir-Gefühl zu erzeugen, das sich einstellt, wenn man sich nach einem gewonnenen Match in den Armen liegt, mieten andere Betriebe ganze Logen im örtlichen Fußball-Club an. Und es muss ja nicht jedes Büro wie bei Google aussehen. Da können Mitarbeiter von einer Etage zur anderen mit einer Rutsche gelangen und sich wieder wie ein Kind fühlen. Dass dort der Arbeitstag stets mit einer Runde Topfschlagen beginnt, dessen Gewinner mit einer Schüssel M&M´s belohnt wird, ist allerdings nur ein Gerücht.

Spielebereich bei VodafonZiggo, Rotterdam (Design: evolutiondesign, Foto: Peter Würmli)

Titelfoto: Google Dublin (Design: evolutiondesign, Foto: Peter Würmli)

Autor: Klaus Rathje

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