Event-Tipp
„Jetzt gilt es die Zukunft klug zu gestalten.“

Die Pandemie hat die Arbeitswelt einmal auf den Kopf gestellt. Welche Fragen sollte man sich jetzt dringend zur eigenen Organisation stellen und was kommt in der Zukunft der Arbeit noch auf uns zu? Ein Interview mit Lars Gaede, Organisationsexperte und Gründer von Work Awesome.

Was hat die Pandemie mit der Arbeitswelt gemacht, welche Fragen sollte man sich jetzt dringend zur eigenen Organisation stellen und was kommt in der Zukunft der Arbeit noch auf uns zu? Ein Interview mit Lars Gaede, Organisationsexperte und Gründer von Work Awesome der Konferenz zur Zukunft der Arbeit, die in diesem Jahr am 2. Juni in Berlin stattfindet.

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Herr Gaede, wie hat die Pandemie die Arbeitswelt verändert?

Covid hat zunächst einmal gesellschaftliche Spannungen verschärft. Manche Menschen haben ihre Einkommensquellen komplett verloren, andere erlebten in ihren Jobs einen regelrechten Boom. Manche konnten ins Home Office ausweichen, andere konnten das nicht. Die durch die Krise beschleunigte Digitalisierung brachte vielen echten Fortschritt und Erleichterungen im Job und auch in der Schule - für andere erschwerte es den ohnehin schon ungleichen Zugang zu Chancen noch stärker. Und auch die Belastung von Frauen und Männern beim Jonglieren von Arbeit und Familie ist in der Krise wieder deutlich auseinandergefallen - das zeigen viele Studien. Die Auswirkungen der Pandemie sind also ein großes Einerseits-Andererseits. Und dasselbe gilt auch für die Arbeitswelt und für die Organisationen, in denen sich diese manifestiert: Sie stehen seit der Pandemie stark unter Spannung, sie müssen mit extrem unterschiedlichen Zugkräften zurechtkommen.

Was macht die Lage in Organisationen denn so angespannt?

Ob das die Pandemie ist oder für viele Organisationen jetzt der Krieg in der Ukraine: Wie in einem Brennglas werden in Krisen die eigenen Schmerzpunkte und Sollbruchstellen überdeutlich: Plötzlich sieht man, ob die eigene Organisation noch Reserven hat oder ob man beim Trimmen auf Effizienz die letzten Puffer schon abgeschmolzen hatte. Plötzlich sieht man, welche Abhängigkeiten bestehen - von spezifischen Märkten, Kunden, Lieferanten, Mitarbeitenden. Plötzlich sieht man, ob die zentralen oder dezentralen Entscheidungswege ausbalanciert waren - oder nicht.

Wenn Organisationen in solche Notsituationen geraten, orientieren sie sich sonst reflexartig an ihrer Umwelt. Sie tasten diese ab und schauen sich genau an, was andere machen, um sich an Vorbildern auszurichten. Doch für Krisen wie die Pandemie gab es keine Vorbilder. Niemand war auf eine solche Krise perfekt vorbereitet - so schaute man sich also nichts voneinander ab, sondern man sah sich nur gegenseitig beim Suchen zu. Gleichzeitig musste man schnell reagieren. Das hat in vielen Organisationen zu teils überraschenden Transformationen geführt und das rasend schnell. Man schaue sich an, wie schnell plötzlich in viele Organisationen digitale Tools Einzug fanden, deren regulärer Roll Out sonst ein monatelanges Projekt gewesen wäre. Jetzt gilt es systematisch zu schauen: Welche der Entwicklungen waren eigentlich sinnvoll und sollte man vielleicht beibehalten oder sogar noch weiter vorantreiben? Und welche aber auch nicht? Die Pandemie hat die Arbeitswelt einmal auf den Kopf gestellt, jetzt gilt es die Zukunft klug zu gestalten.

Was sind die Fragen, die man sich jetzt stellen sollte?

Was man in vielen Organisationen beobachten konnte, war, dass Hierarchie in vielen Organisationen wieder in wurde, als die Krise ausbrach. Man fiel quasi reflexhaft in alte lange gelernte Entscheidungsbahnen zurück. Und das kann auch funktional sein. Aber - und das ist die Spannung dabei - mehr geführt wurde dann gar nicht unbedingt von den formalen Führungskräften, sondern oft von ganz anderen Impulsgebern, die sich hervor taten - zum Beispiel in den Krisenstäben. Da wurden oft neue Held:innen geboren. Jetzt muss man sich natürlich Fragen: Wie bringt man die vielen Führungsimpulse auf einen Nenner? Wie evaluiert man die neu entstandenen Kommunikationswege und sorgt für die richtigen Strukturen auch nach der Krise?

Nächstes Beispiel: In vielen Organisationen wurde beim Ausbruch der Krise innoviert wie nie zuvor, man fand kreative neue Wege und Lösungen, entwickelte rasend schnell neue Ideen - nur nicht in den dafür irgendwann mal vorgesehenen Inno-Hubs oder Ideation Programmen. Die legte man extrem schnell auf Eis. Wer brauchte die jetzt noch? Hier lohnt es sich jetzt einmal zu schauen: Welche der guten neuen Krisen-Ideen will man wieder abschaffen, was will man verstetigen - und was braucht es dafür? Welche der ad hoc entstandenen neuen Arenen, in denen über Nacht neue Ideen entstanden sind, will man vielleicht auch zukünftig weiter bespielen.

Und eines der wichtigsten Themen, dass jetzt gerade viele Organisationsgestalter:innen bewegt ist natürlich die Frage: Wie und wo will sollen die eigenen Mitarbeitenden zukünftig arbeiten? Welche Regeln sollen zukünftig dafür gelten? Das klug auszubalancieren ist keine leichte Aufgabe.

Warum?  

Weil da sehr viele unterschiedliche Dimensionen zusammenspielen: Die völlig unterschiedlichen Ansprüche und Erwartungen der Mitarbeitenden, die man als Organisation nun moderieren muss. Die Umstellung der Führungskräfte, die sich oft aus der Präsenzkultur kommend erst an Remote Work gewöhnen mussten und nun in ihren Teams oft ein hybrides Modell gestalten müssen und ein ganz neues Selbstverständnis einüben. Und dann gibt es da natürlich die spannende Frage: Wie muss nicht nur die post-pandemische Arbeit neu gestaltet werden, sondern in Folge auch der Arbeitsplatz? Manche Organisationen sehen da schlicht das Einsparpotenzial. Sie entmieten große Flächen, schicken den Mitarbeitenden Blümchen ins Home Office und nennen das dann New Work. Andere bauen ihre Offices komplett um, um sie attraktiver zu machen und die Mitarbeitenden wieder zurückzulocken – wenigstens für 2 oder 3 Tage in der Woche.

Ob Remote, Präsenz oder Hybrid - welches neue Setup wird sich denn in Zukunft durchsetzen?

Wichtig ist, dass man begreift, dass es keine One-Size-Fits-All Lösung geben kann. Schon gar nicht über Organisationen hinweg, aber noch nicht einmal innerhalb eines Unternehmens. Was Mitarbeitende für Bedürfnisse haben, wie oft Teams sich idealerweise vor Ort treffen wollen, wie viele Arbeitsanteile eher aus konzentrierter Stillarbeit bestehen und was in einem eher sozialen Workshop-Setting besser funktioniert – all das sollte man für den jeweilig spezifischen Arbeitszusammenhang genau verstanden und auch innerhalb des Teams diskutiert haben, bevor man sich neue Regeln gibt. Nur dann kommt man zu einer Lösung, die dann auch von allen getragen werden kann.

Welche weiteren Themen werden die unmittelbare Zukunft der Arbeit prägen?

Die Arbeitswelt ist auf so vielen Ebenen so spannend, da weiß man kaum wo man hinschauen soll. Ein Zukunftsthema, das in Deutschland noch nicht so richtig ernst genommen wird ist das Web3 und neue digitale Organisationsformen, die sich mit Hilfe von smarten Verträgen auf der Blockchain abbilden lassen. Da gibt es heute schon spannende Beispiele, wie Akteure sich zusammenfinden und komplett dezentral organisiert gemeinsam Ziele verfolgen. Das ist ein Thema, das man sich genauer anschauen sollte und das tun wir z.B. auch auf unserer Konferenz. Genau so spannend finde ich neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Teamarbeit und -Performance – also die Frage, was genau macht ein hervorragendes Team zu einem hervorragenden Team und was braucht es dafür, dass das so bleibt? Ein Thema, das besonders relevant ist, jetzt wo der War for Talents endgültig gewonnen wurde - und zwar von den Talents selbst. Und auch die Frage, wie Organisationen und Führungskräfte mit dem jetzigen Dauerkrisenzustand produktiv umgehen können – und was es für eine Kultur, Kommunikation und Führung braucht, um das gut zu meistern ist und bleibt ein Zukunftsthema. Denn wie gut oder schlecht man darin ist, wird auch nach der Pandemie für den Erfolg von Organisationen entscheidend sein.